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Matreus
Tage wie dieser & Botengang





Tage wie dieser



Matreus stand in der Küche und war grade dabei, die Reste von Jonas und seinem Frühstück wegzuräumen. Manchmal wünschte er sich, sie würden auch nicht mehr essen müssen, wie der Meister. Der trank nur ein grünes Elexier. Doch das würde wohl noch einige Jahre dauern, wenn es denn überhaupt irgendwann soweit sein sollte. Er sah sich um und überlegte, was er als Nächstes tun sollte.

Manchmal stellte er sich vor, er wäre nur in einem bösen Traum gefangen und würde bald wieder aufwachen und sich bei Sarah Levy in der kleinen Hütte wiederfinden. Doch er musste sich immer wieder eingestehen, dass diese Zeit vorbei war. Sarah, Jonas Mutter, war vor 4 Jahren gestorben. Und so lange waren sie schon hier unten in der Unterwelt bei Zanrelot. Bei Jonas Vater und seinem Onkel.

Als sie damals zu ihm kamen, hatte Matreus gleich gewusst, dass er nur geduldet wurde. Zanrelot ging es nur um seinen Sohn. Er war nur ein lästiger Anhang, wie er es schon immer für jeden anderen Menschen außer den Levys gewesen war. Anfangs hatte er vermutet, dass er nicht lange hier bleiben würde. Dass man ihn wegschicken würde oder noch etwas viel Schlimmeres, an das er nicht denken wollte. Doch Jona hing an ihm. Sie waren wie Brüder aufgewachsen. Deshalb behielt man ihn hier. Zwar nur als Diener, der alle anfallenden Arbeiten zu machen hatte und der den ganzen Tag nur herumgescheucht wurde, aber er durfte bleiben. Er hatte nun endlich einen Platz gefunden, an dem er bleiben durfte. Und wo er eine Aufgabe hatte. Zwar eine Erniedrigende, aber immerhin eine Aufgabe.

Zanrelot hatte ihm sogar Magie gegeben und auch versucht, ihm das Zaubern beizubringen. Aber seine Begabung dazu war eher mäßig. Jona hingegen konnte den jeweiligen Zauber bereits nach ein bis zwei Mal üben ausführen. So hatte sich Zanrelot schließlich Jonas Ausbildung angenommen und Matreus nur das aller Nötigste beigebracht. Einfache Zauber, wie den zum Türen öffnen, ohne die er in die Unterwelt nicht auskam. Doch selbst diese einfachen Zauber zu erlernen fiel ihm schwer. Und er hatte große Angst vor den Momenten, in denen der Meister ihn zu sich rief, um ihm wieder etwas beizubringen. Meistens endeten diese Lehrstunden in Gebrüll an ihn gerichtet, wie unfähig und unkonzentriert er war. Und nicht zuletzt mit Strafen.

Jona hatte ihm schließlich ein paar einfache und brauchbare Zauber beigebracht, aber er musste immer wieder aufpassen, sie nur auszuführen, wenn Zanrelot es nicht mitbekam. Sonst würden sie beide großen Ärger bekommen. Oft genug war ihnen eingebläut worden, dass die Magie nichts war, womit man rumspielt. Wenn man nicht aufpasste, konnte man sich daran nicht nur die Finger verbrennen, sondern gleich sich selbst und andere ins Verderben stürzen.

Matreus schüttelte den Kopf. Er versuchte diese Gedanken wegzuschieben und sich wieder an die Arbeit zu machen. Grade nahm er eine Tasse vom Tisch, in der noch Kakao schwappte, da erschreckte ihn ein Gebrüll. „Matreus!“ Erschrocken ließ er die Tasse fallen. Die zerschellte und der Kakao verteilte sich auf dem Fußboden.

Zanrelot hatte seinen Namen gerufen. Und er klang wieder einmal gereizt. Er ließ die zerbrochene Tasse wo sie war und rannte zur Zentrale. Soweit er wusste hielt der Meister dort grade eine Lehrstunde mit Jona ab. Kurz vor der Tür hörte er auf zu rennen und betrat sittsam die Zentrale. Dort wurde er schon vom Meister und seinem Sohn erwartet. Matreus sah ein Funkeln in den Augen seines Onkels und fragte sich, was er schon wieder verpatzt hatte. Vielleicht wurde er auch mal wieder als Versuchskaninchen missbraucht, wenn Jona irgendwas verwandeln sollte. Dann musste er herhalten. Sonst gab es ja niemanden in der Unterwelt, der verwandelt werden konnte.

Ihm stockte der Atem, als er sah, dass die Lehrstunde anscheinend tatsächlich noch nicht beendet war. Er hasste es, verwandelt zu werden, doch niemals würde er das aussprechen. Niemals würde er widersprechen. Das war das Erste, was er hier unten gelernt hatte. Für ihn galten hier unten einfache Regeln, an die er sich bedingungslos zu halten hatte: Niemals widersprechen, niemals lügen, niemals respektlos werden und immer jeder Anweisung gehorsam nachkommen. Diese Regeln hatte er mit Hilfe eines Rohrstocks sehr schnell begriffen.

Für Jona galten selbstverständlich andere Regeln. Er war nun mal Zanrelots Sohn und nicht der Diener. Doch im Stillen hoffe Matreus, dass er eines Tages mehr sein würde. Er würde nie an gleicher Stelle wie Jona stehen, das war ihm völlig klar, aber vielleicht konnte er zumindest eines Tages mehr sein als ein Diener. Vielleicht würde er ihn zumindest als seinen Neffen anerkennen. Nicht nur als lästiges Anhängsel, das er Jona zu liebe mit durchfütterte.

Er trat zur Plattform und blieb in respektvollem Abstand zu den beiden stehen. „Meister, Ihr habt nach mir gerufen?“

„In der Tat, das habe ich. Schon vor einer ganzen Weile!“, antwortete der Meister mit immer noch gereizter Stimme.

Matreus Magen begann sich zu verkrampfen. Anscheinend war heute wieder so ein Tag, wo es gleich war, ob er sich bemühte oder nicht. Tage wie diesen gab es in Unmengen in seinem Leben. Der Meister war nicht zufrieden zu stellen.
Er war den ganzen Weg von der Küche aus gerannt, aber anscheinend war das noch zu langsam gewesen. Er hätte jetzt erwidern können, dass er sich in der Küche befunden hatte, die weit weg von der Zentrale war. Aber das würde ihm wieder nur als Widerspruch ausgelegt werden. Und den allgegenwärtigen Rohrstock hatte er schon beim Eintreten auf dem Tisch liegen sehen. So senkte er nur den Kopf. „Verzeiht, Meister.“

Anscheinend ein bisschen besänftigt, nickte Zanrelot seinem jungen Diener zu.
„Matreus, sag, was hältst du von Jonas Zauberkünsten?“

Überrascht sah er auf. Er wurde hier nach einer Meinung gefragt? Er sollte beurteilen, wie Jonas Zauberkünste waren? Ihm wurde heiß und kalt, als er sich ausmalte, was eine falsche Antwort für ihn bedeuten konnte. Der Meister sah ihn erwartungsvoll an. Und auch Jona sah zu ihm. Ein bisschen herablassend und von sich überzeugt, wie es nun mal seine Art war.

Matreus schluckte und entschied, dass eine diplomatische Antwort vielleicht am Ungefährlichsten war. Seine ehrliche Meinung war, dass Jona genauso zauberte, wie er selbst war, lässig und überheblich. Dass er dabei unkonzentriert und schlampig war, konnte er wohl kaum vorbringen. Einer der beiden würde ihn dafür in Stücke reißen. So antwortete er vorsichtig und sah dabei auf den Boden vor deren Füße. „Meister, ich finde er macht das sehr gut.“

Gleich darauf durchzuckte eine Art elektrischer Schlag seinen ganzen Körper. Er hatte nicht gesehen, dass Zanrelot die Hand gehoben und eine Energiekugel auf ihn geworfen hatte. Erschrocken sprang er einen Schritt zurück.

„Matreus, du sollst nicht lügen! Dafür hast du dir schon wieder ein paar Hiebe mit dem Rohrstock verdient!“

Schuldbewusst sah er auf und fixierte den Rohrstock auf dem Tisch. Doch niemand griff danach. Verängstig sah er wieder zu seinem Meister auf. Dieser schien tatsächlich eine Meinung von ihm hören zu wollen. Doch Matreus Kehle war derzeit so zugeschnürt, dass er kein Wort herausbrachte.

Schließlich sprach Zanrelot weiter. „Nun gut, dann frage ich anders: Wie fühlt es sich an, wenn ich dich verwandle?“

Der Junges schluckte den Kloß herunter und antwortete wahrheitsgemäß: „Es .. es ist unangenehm, Meister.“ Er zog den Kopf ein, doch nichts passierte. Stattdessen bekam er eine weitere Frage gestellt.

„Und wie fühlt es sich an, wenn Jona dich verwandelt?“

Überrascht sah er zu seinem Cousin. Hatte Jona etwas falsch gemacht? Sollte er, Matreus, ihn nun „belasten“? Alles in ihm sträubte sich, etwas zu sagen, was Jona schaden könnte. Jona war der Einzige, der ihm das Gefühl gab, dass er etwas Wert war. Dass er gemocht wurde. Auch wenn er oft gemein zu ihm war und ihn oft bei seinem Vater anschwärzte, wenn er etwas Unerlaubtes getan hatte – nie würde er das Jona mit gleicher Münze heimzahlen. Trotz allem war er ihm sehr dankbar, dass er darauf bestanden hatte, seinen Ziehbruder mit in die Unterwelt zu nehmen. Hier hatte er etwas zu essen und sowas wie ein zu Hause. Doch ihm war eben schon mit dem Rohrstock gedroht worden. Nochmals würde er sein Glück nicht herausfordern.

Dem Meister entging das Zögern seines Neffen nicht. Doch als er ihn grade dafür zurechtweisen wollte, antwortete Matreus.
„Es tut weh!“

Matreus sah, dass Zanrelot zufrieden nickte. Genau das hatte er anscheinend von ihm hören wollen. Jona hingegen sah bestürzt aus. Matreus fragte sich, weshalb er dazu befragt wurde, wie es sich anfühlt, von Jona verwandelt zu werden. Und tatsächlich wurde seine unausgesprochene Frage beantwortet.

„Jona und ich hatten grade eine kleine Diskussion darüber, ob man auch lässig Zaubern kann und ob es wirklich Notwendig ist, die ganzen Kleinigkeiten, die das Zaubern begleiten, zu beachten. Ich denke es ist ihm nun klar geworden, was ich meinte.“

Der Meister wandte sich an seinen Sohn. „Jona, wenn Du unkonzentriert zauberst, wird auch der Zauber selbst unkonzentriert. Wenn du Matreus in ein Kaninchen verwandeln willst und dabei an ein Kaninchen und an eine Taube denkst, weiß der Zauber nicht, was er machen soll. Somit dauert die Verwandlung viel länger und der Körper wird mehrmals zwischen beiden Möglichkeiten hin- und hergerissen. Bei einfachen Zaubern ist das nicht so schlimm, es tut nur weh. Aber in deiner weiteren Ausbildung kommt es darauf an, genau und sauber zu arbeiten.“

Interessiert hörte sich Matreus die Erklärung an. Auch er hoffte, irgendwann weitere Zauber lernen zu dürfen, aber der Meister schien der Ansicht zu sein, dass es bei ihm keinen Zweck hatte. Deshalb hatte er seit Monaten nichts mehr dazu gelernt.
Missmutig fragte er sich, ob er wohl entlassen sei, oder ob er noch gebraucht wurde. Die Küche war noch nicht fertig und wenn er sich nicht bald wieder daran machte, kam sein ganzer Zeitplan durcheinander. Doch er traute sich nicht, die beiden zu unterbrechen. Und schließlich konnte er so noch weiter zuhören und eventuell doch noch was lernen.

Dann wandte sein Meister wieder das Wort an ihn. „Geh und sieh zu, dass deine Arbeit fertig wird. Jona wird später mit dir üben.“

Matreus rutschte das Herz in die Hose. ‚Mit dir üben’ hieß, dass Jona ihn wieder in irgendetwas verwandeln würde. Und das hieß für ihn, dass es ein schrecklicher, schmerzvoller Tag werden würde. Er erwiderte nickend ein schwaches „Ja, Meister“ und verließ schleunigst die Zentrale.

In der Küche hatte sich inzwischen der Kakao in einer Lache ausgebreitet. Seufzend nahm Matreus einen Eimer und kniete sich hin, um die Scherben aufzusammeln und aufzuwischen. Doch dann steckte er den Finger in den Kakao und malte damit auf dem Boden herum. Es entstand eine Torte mit Kerzen und einer 14 in der Mitte. Kurz sah er sein Werk an und ließ dann einen Lappen darauf fallen.
„Alles Gute zum Geburtstag, Matreus.“

ENDE





Botengang

1
Zanrelot sah seinen Sohn überrascht an. Er hatte ihn soeben gebeten, einen Brief abzugeben, wenn er in die Oberwelt geht. Und nun erntete er dafür einen genervten Blick.

„Vater, es liegt mir fern, Aufgaben nicht auszuführen, die du mir aufträgst. Aber gehört so ein Botengang nicht eigentlich zu Matreus Arbeit?“

Der Meister seufzte. Jona war grade 17 Jahre geworden und derzeit in der Pubertät. Er wollte seinen Spaß haben. Auch, wenn Zanrelot der Liebe abgeschworen hatte und er hoffte, dass es bei seinem Sohn auch bald so weit sein würde, wusste er doch, dass dieser auch ein körperliches Verlagen nach dem anderen Geschlecht hatte. Und er hatte keine Lust, sich jetzt damit auseinanderzusetzen.
„Gut Jonathan, dann geh. Aber gib auf die Schergen acht!“

Einen Moment später hatte sich sein Sohn gedreht und war in die Oberwelt verschwunden.

Er sah auf die Uhr. ‚Eigentlich müsste Matreus grade mit seinen täglichen Arbeiten fertig werden.’, dachte er sich. In letzter Zeit hatte sich sein Diener kaum etwas zu schulden kommen lassen. Er erledigte seine Aufgaben routiniert und gewissenhaft. Er hatte ihn nur noch ab und an mal kontrolliert. Und alles war zu seiner Zufriedenheit erledigt worden. Matreus bemühte sich sehr, seinen Meister zufriedenzustellen. Zanrelots Blick wanderte durch den Raum und blieb am Rohrstock hängen. ‚Und der liegt nun auch schon seit über zwei Wochen dort ungenutzt herum. Und auch davor habe ich ihn nicht mehr oft benutzen müssen’, überlegte er. ‚Vielleicht sollte ich Matreus tatsächlich eine kleine Freude machen. Eigentlich hat er als mein Diener zwar mit keinerlei Anerkennung zu rechnen, aber vielleicht würde es ihn noch mehr motivieren.’ Er nickte sich selbst zu. ‚Ja, ich werde ihn nach oben schicken und ihm etwas Zeit geben, sich dort in Ruhe umzusehen.’

Er räusperte sich und rief laut nach seinem Diener. „Matreus!“

Nur ein paar Sekunden später betrat der Gerufene die Zentrale und stellte sich an seinen Platz vor der Plattform. „Meister, ihr habt mich gerufen?“, fragte er gehorsam.

„In der Tat, das habe ich“, antwortete Zanrelot. „Wie weit bist du mit deinen Aufgaben?“

Matreus sah ein bisschen geknickt aus. „Ich bin grade fertig geworden, Meister“, antwortete er und Zanrelot entnahm dem Tonfall, dass er gehofft hatte, nun ein wenig ausruhen zu können. Einen Moment lang überlegte er, ob er diesen angehenden Ungehorsam ahnden sollte. Doch er entschied sich dagegen. Er war derzeit zufrieden mit dem Jungen, deshalb wollte er ihm ja auch diesen Ausflug zugestehen.

Er gab ihm den Umschlag. „Bring diesen Brief nach oben“, befahl er. Er sah, wie die Augen seines Dieners freudig leuchteten. Es kam nicht oft vor, dass er ihm erlaubte, in die Oberwelt zu gehen. Und wenn, dann meist in Begleitung von Jona. Doch Matreus war inzwischen 15 Jahre alt und in den fünf Jahren in der Unterwelt hatte er sich langsam aber sicher sein Vertrauen erarbeitet.

Matreus nahm den Umschlag entgegen. „Ja, natürlich Meister, sofort.“
Der Junge wollte schon gehen, doch der Meister hielt ihn mit einem Blick zurück. „Du hast eine Stunde!“, erklärte er.

„Ja, Meister“ erwiderte er nur und verließ die Zentrale.


2
Matreus blieb im Gang stehen und las die Adresse auf dem Brief. Er war sehr froh darüber, dass Zanrelot eine so deutliche Handschrift hatte. Ganz anders als so einige magische Bücher, die er zu studieren hatte. Viele Wörter, grade die Lateinischen, fielen ihm immer noch recht schwer. Schließlich hatte er erst spät lesen gelernt.

Jedes Mal, wenn er einen Brief vom Meister in der Hand hielt, kamen die Erinnerungen daran wieder hoch. Jona hatte damals noch in der Oberwelt von Sarah lesen gelernt. Sie hatte auch Matreus immer wieder angeboten, es ihm bei zu bringen, aber er hatte stets abgelehnt. Er war sich sicher, das niemals zu benötigen und es kam ihm viel zu schwierig vor, diese ganzen Buchstaben zu lernen.

Später dann in der Unterwelt, war Zanrelot davon ausgegangen, dass er bereits lesen konnte und war sehr erbost, als er feststellte, dass dem nicht so war. Er hatte ihn angebrüllt, was er für ein Taugenichts war, wenn er nicht einmal lesen konnte. Da der Meister genug damit zu tun hatte, ihn zu erziehen und es ihn schon genug Nerven kostete, ihn im Zaubern zu unterrichten, hatte er Jona angewiesen, seinem Cousin Lesen und Schreiben beizubringen.

Jona war ein ebenso ungeduldiger Lehrmeister wie sein Vater. Anfangs hatte er fast jeden Tag mit ihm geübt. Doch nach ein paar Wochen ließ er ihn oft allein und ging in die Oberwelt, wenn er ihn eigentlich unterrichten sollte. Matreus versuchte so gut es ging, sich selbst zu helfen, doch es ging nur langsam voran. Nach zwei Monaten rief der Meister ihn zu sich, um sich von seinen Fortschritten zu überzeugen. Er hielt ihm ein Buch hin, aus welchem er vorlesen sollte. Ängstlich nahm er das Buch entgegen, doch schon die ersten Wörter machten ihm Schwierigkeiten. Nach einigen Versuchen wurde ihm das Buch entrissen. Zanrelot tobte. Jonathan würde so viel Zeit damit vergeuden, ihm das Lesen beizubringen und er konnte nach zwei Monaten nicht mal eine einfache Kindergeschichte lesen. Anscheinend würde er, Matreus, sich wieder mal nicht richtig bemühen. Wie üblich folgten dieser Feststellung Prügel mit dem Rohrstock. Er versuchte gar nicht erst, sich zu rechtfertigen, dass Jona ihn gar nicht richtig unterrichtet hatte. Jona hätte sowieso alles abgeschritten. Nach drei weiteren Wochen wollte der Meister wieder seine Fähigkeiten überprüfen. Doch es hatte sich nichts geändert. Es waren keinerlei Fortschritte zu erkennen. Der Meister stellte Vermutungen an, ob diese Lehrstunden überhaupt stattfanden, oder ob er sich in der Zeit auf die faule Haut legte. Matreus sagte dazu nichts. Er würde Jona nie verraten. Stattdessen stecke er wieder einmal widerstandslos die Prügel ein.

Ein paar Tage später platzte der Meister in seine Kammer, als er, wieder einmal allein, versuchte, das Lesen zu erlernen. Das Schreiben hatte er gar nicht mehr geübt. Lesen kam ihm derzeit einfach wichtiger vor, um seinen Meister zufriedenzustellen. Zanrelot fragte ihn, wo Jona sei. Matreus wollte darauf nicht antworten. Er wollte seinen Meister nicht anlügen. Und er wollte auch nicht Jona verpetzen.

Doch das war auch nicht nötig. Dieser machte sich seinen eigenen Reim auf die Situation und die geringen Fortschritte, die sein Diener machte.

Matreus wusste nicht genau, was geschehen war, aber Jona unterrichtete ihn vom nächsten Tag an wieder täglich. Und nach weiten 4 Wochen konnte er nicht nur ganze Sätze fehlerfrei lesen, er konnte auch alle Buchstaben und schon einiges an Wörtern schreiben.

Er schüttelte den Kopf, um diese Gedanken abzustreifen. Inzwischen kam es ihm lächerlich vor, dass er so viel Mühe mit dem Lesen und Schreiben gehabt hatte. Inzwischen konnte er es gut, wenn auch nicht fehlerfrei. Aber es reichte immerhin, um des Meisters Zauberbücher zu studieren.

Er las die Adresse auf dem Umschlag und drehte sich nach oben. Er kannte den Kaufmann. Er hatte gute Waren und stellte keine Fragen.

Matreus hielt die Nase in den Wind und atmete die frische Luft tief ein als er oben ankam. Die Sonne schien ihm warm ins Gesicht. Wie sehr er das alles vermisste. Die Sonne, den Wind, den Geruch von frisch geschnittenem Heu. Den Duft der Lebensmittel auf dem Markt. Das Zwitschern der Vögel. Er gönnte sich einen Moment, das alles in sich aufzunehmen und tief in seinem Inneren einzuschließen.

Dann machte er sich an seine Aufgabe. Es dauerte nur ein paar Minuten, den Brief zu übergeben. Verwirrt dachte er an die Worte seines Meisters. „Du hast eine Stunde“, hatte er ihm gesagt. So lange hatte er doch noch nie gebraucht, einen Brief zu übergeben. Er sah sich kurz um, ob er nicht beobachtet wurde und drehte sich dann zurück in die Unterwelt.


3
Matreus betrat ruhigen Schrittes die Zentrale. Zanrelot sah, dass er seine Position vor der Plattform einnahm und anscheinend darauf wartete, dass er ihm das Wort erteilte. Er sah auf die Uhr. Der Junge war grade mal zehn Minuten weg gewesen. Der Meister stöhnte innerlich. Anscheinend waren seine Worte wieder nicht klar genug gewesen. Sein Diener war es gewohnt, klare Anweisungen zu befolgen. Und das hatte er getan. Er hatte den Brief übergeben und war wahrscheinlich verwundert, warum er ihm eine ganze Stunde Zeit dafür eingeräumt hatte. Daran hätte er, Zanrelot, denken sollen. Matreus hatte sich genau so verhalten, wie er es in den letzten Jahren gelernt hatte. Er hatte seine Aufgabe schnell und ordentlich erledigt und war sofort zurückgekommen um berichten, oder weitere Anweisungen entgegen zu nehmen.

Der Meister war sehr zufrieden. Wiederum hatte Matreus alles richtig gemacht. Diesmal war er derjenige, der einen Denkfehler gemacht hatte. Sein Diener wäre von selbst nicht auf die Idee gekommen, die restliche Zeit für sich selbst auszunutzen.

Aufmunternd nickte er dem Jungen zu.

„Meister, ich habe den Brief übergeben. Der Kaufmann sagte, die nächste Lieferung wäre übermorgen fertig.“

Zanrelot überlegte kurz. „Übermorgen. Gut, dann weißt du ja bereits, was du übermorgen zu tun hast.“ Wieder sah er, wie die Augen seines Gegenübers freudig glänzten. „ Es sei denn du lässt dir bis dahin etwas zu Schulden kommen“, fügte er hinzu.

Gleich darauf änderte sich Matreus Gesichtsausdruck. Er sah beschämt aus. Anscheinend dachte er an die vielen Fehler, die er in seiner Zeit in der Unterwelt bereits gemacht hatte.

„Nein, Meister, ich werde Euch nicht enttäuschen. Ich werde keinen Ärger machen“, versicherte er.

„Gut, das will ich auch hoffen. Der Rohrstock liegt immer noch griffbereit“, antwortete er und zeigte auf den Tisch. „Du kannst dich jetzt zurückziehen. Ich habe keine weitere Aufgabe für dich.“

„Danke Meister.“ Matreus verließ eilig die Zentrale. Zanrelot stand auf und nahm den Rohrstock vom Tisch. Dann sah er seine rechte Handfläche an. Die Hornhaut, die er mit der Zeit dort bekommen hatte von dem vielen Gebrauch des Rohrstocks, hatte sich schon beinahe zurückgebildet. „So langsam ist der Junge auch zu alt dafür!“, sagte er zu sich selbst. „Es wird Zeit, dass ich mir etwas Anderes einfallen lasse.“

ENDE



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